Apotipp      BLASENSCHWÄCHE- INKONTINENZ

Rund 10% der österreichischen Bevölkerung leidet an verschiedenen Formen einer Blasenschwäche mit unwillkürlichem Harnabgang. Gemeinsam ist allen, dass ihre Lebensqualität stark beeinträchtigt ist und sich diese Menschen mit ihren Problemen zurückziehen und vereinsamen.

Eine Lebenszeit, in der jeder Mensch inkontinent ist, erleben alle– als Baby.  Deshalb sind viele Ältere beschämt, wenn sie die eigene Blase nicht mehr kontrollieren können, auf andere angewiesen und hilfsbedürftig sind.

Funktion der Blase
Der Urin wird in den Nieren produziert, dort in den Nierenbecken gesammelt und durch die Harnleiter in die Harnblase entleert.

Das Fassungsvermögen der Blase beträgt 0,5 -1Liter, ein Harndrang setzt aber meist erst bei einer Füllung von 350 ml ein. Durch den Anstieg des Innendrucks werden die sensiblen Nervenfasern angeregt und in parasympathischen Zentren des sakralen Rückenmarks ein Reflex ausgelöst - der so genannte Miktionsreflex - der die Kontraktion des Musculus detrusor in der Blasenwand und eine Entspannung des inneren Schließmuskels auslöst. Erst wenn dann eine bewusste Entspannung des äußeren Schließmuskels erfolgt, beginnt das Harnlassen.

Harninkontinenz: Unfähigkeit der willkürlichen Kontrolle über das Urinieren
Pollakisurie: Erhöhte Miktionsfrequenz
Betroffene müssen mehr als achtmal innerhalb von 24 Stunden auf die Toilette gehen, auch öfters in der Nacht. Meist werden aber nur geringe Mengen an Harn entleert (Reizblase).
Nykturie: Nächtliche Miktionen
Der Harndrang in der Nacht ist so groß, dass die Betroffenen öfters in der Nacht aufwachen und unbedingt die Toilette aufsuchen müssen.
Dranginkontinenz: unfreiwillige, drangbedingte Blasenentleerung
Starke Kontraktion der Blase bereits bei einer geringen Füllmenge (Überaktivität des Detrusormuskels) - der Abfluss aus der Blase kann willentlich nicht verhindert werden.
Belastungsinkontinenz = Stressinkontinenz:
Unfreiwilliger Harnabgang bei körperlicher Betätigung, Lachen, Niesen, Husten, Lastentragen und  Heben… infolge eines Druckanstiegs bei einer geschwächten Beckenmuskulatur bei Frauen oder bei ungenügendem Harnröhrenverschluss. Die Harnblase funktioniert normal.
Überlaufinkontinenz: meist beim Mann wegen seiner vergrößerten Prostata
Der Druck in der übervollen Blase ist höher als die Verschlusskraft des Schließmuskels. Tröpfchenweise geht Urin ab.
Reflexinkontinenz:
Reflexartige Entleerung der Blase bei einer bestimmten Füllmenge bei Schäden der Nerven (z.B. Querschnittgelähmte)

Belastungs- und Dranginkontinenz sowie Mischformen der beiden zählen zu den häufigsten Formen der Inkontinenz.

Ursachen von Inkontinenz
Hormonelle Veränderungen, Hormonmangel
Schwächung der Beckenbodenmuskulatur: Schwangerschaft, Blasensenkung, häufiges schweres Tragen und Heben
Vergrößerte Prostata
Chronische Harnwegsentzündungen
Veränderungen im Nervensystem
Medikamente
Unterkühlung ist meist die Ursache einer Reizblase

Anzeichen einer beginnenden Blasenstörung
Ungewollter, tröpfchenweiser Harnverlust
Häufiger Harndrang
Venenprobleme
Hämorrhoiden
Diese Probleme sollten sobald wie möglich vom Arzt abgeklärt und speziell behandelt werden, damit schwerwiegende Folgen verhindert werden können.

Behandlungsmöglichkeiten
   Dranginkontinenz
Unfreiwilliger Harnabgang verbunden mit starkem Harndrang trotz funktionierendem Harnröhrenverschluss. Es kommt zu unwillkürlichen, nicht verhinderbaren Kontraktionen der Blasenmuskeln mit Harnverlust.
 1. Medikamente
Anticholinergika: Oxybutynin (Detrusan®, Ditropan®, Oxybutynin-Genergika, Kentera® -Pflaster), Tropiumchlorid ( Inkontan®, Spasmolyt®, Spasmo-Urgenin ®,), Tolterodin (Detrusitol®)

Diese Medikamente (Parasympatholytika) sind spezifische Antagonisten an Acteylcholin–Rezeptoren, die eine zusätzlich Wirkung auf die glatte Muskulatur der Blase haben. Sie reduzieren die unkontrollierten Kontraktionen des Detrusormuskels und verzögern den Harndrang. Nicht bei Belastungsinkontinenz einsetzen!

Leider sind die parasympatholytischen Nebenwirkungen vielfältig, sodass am Anfang der Therapie Mundtrockenheit, trockenes Auge, Glaukom, Schwindel, Herzklopfen… sehr häufig zu einem Therapieabbruch führen.

Flavoxat (Urispas®): bei Spasmen im Urogenitalbereich

  2. Blasentraining
Das Ziel des Blasentrainings ist die verloren gegangene Kontrolle und das Gefühl der Blase wieder zu erlangen. 
Zuerst muss dem ersten Drang, die Blase zu leeren, widerstanden werden. Durch Ruhe, Konzentration und Anspannen der Beckenbodenmuskulatur klingt der Harndrang nach ca. 10-15 sek. wieder ab. Erst dann wird die Toilette aufgesucht. Dieses Unterdrücken der Drangwelle ist am Anfang schwierig, kann sogar schmerzhaft sein, ist aber nicht schädlich. Die Intervalle des Harndrangs werden so in kleinen Schritten verlängert (ca. 20 Minuten pro Woche), wodurch sich das Füllungsvermögen der Blase allmählich vergrößert, die Blase sich an größere Füllmengen gewöhnt und ein normaler Rhythmus (6-7 Toilettengänge pro Tag) einstellt. In der Nacht sollte die Blase entleert werden, denn das Dranggefühl würde wach halten und den gesunden Schlaf stören.

  3. Blasenentleerungsprotokoll
Ein Blasenentleerungsprotokoll ist wesentlich für eine erfolgreiche Durchführung und Kontrolle einer Therapie. Es wird die Häufigkeit des Harndrangs, Zeitpunkt des Toilettenbesuchs, Trinkmenge eingetragen, und, ob der Harnabgang freiwillig oder unfreiwillig war.

  4. Eine Operation ist  bei Dranginkontinenz nur selten erforderlich. 

   Belastungsinkontinenz - Stressinkontinenz
„Stressinkontinenz“ ist ein irreführender Ausdruck, weil das Wort „Stress“ im Deutschen nur einen außergewöhnlichen psychischen Druck bezeichnet. Im Englischen versteht man unter „Stress“ auch eine körperliche Belastung.
Eine Belastungsinkontinenz entsteht durch einen erhöhten Bauchinnendruck bei verschiedenen körperlichen Anstrengungen.

Es werden drei Schweregrade unterschieden:
1.Grad: Inkontinenz beim Husten, Niesen
2.Grad: Inkontinenz bei abrupten Körperbewegungen, beim Aufstehen, Hinsetzen
3.Grad: Inkontinenz bei unangestrengten Bewegungen, sogar im Liegen

  1. Medikamente:
Lokale Therapie mit Östriol - haltigen Cremen oder Scheidenzäpfchen
Duloxetin (Yentreve®): ein kombinierter Noradrenalin- und Serotonin–Wiederaufnahmehemmer - durch die Hemmung der Nerven im Schließmuskel wird die Harnröhre vor allem bei Belastungen stärker verschlossen.
Kürbiskerne: Stärkung der Blasen- und der Beckenbodenmuskulatur, Schutz vor einer Prostatavergrößerung
Sägepalmenextrakt (Permoxin®, Prosta Urgenin®): Positive Wirkung auf Blase und Prostata, sodass das Harnlassen erleichtert wird.
# Kürbis- und Sägepalmextrakte können auch bei einer Überlaufinkontinenz eingesetzt werden.

  2. Training des Beckenbodens bei Frauen
Der Beckenboden ist ein dreischichtiges Muskelsystem, das die Blase, Gebärmutter und den Enddarm stützt. Er ist für das Halten von Stuhl und Harn verantwortlich, aber auch für das Loslassen während der Entleerungsvorgänge.
Ein gesunder Beckenboden hebt sich beim Einatmen nach außen, beim Ausatmen nach innen. Durch bewusstes Atmen kann man im gleichen Rhythmus den Beckenboden senken oder nach innen ziehen. Physiotherapeuten kennen viele verschiedene Übungen zur Straffung der Beckenbodenmuskulatur, die leicht zu erlernen sind.  Dieses Beckenbodentraining mit An- und Entspannungsübungen kann man täglich öfters beim Sitzen, Stehen, Liegen… machen - in der Arbeit oder zu Hause, ohne dass andere Menschen etwas bemerken.
Oft wird ein Training durch Biofeedback oder Elektrotherapie ergänzt.
Eine Hilfe beim Aufbau der Muskulatur ist der „COME (Clinical Orgasm Muscle Exerciser) Beckenbodentrainer“. Durch den elastischen Widerstand des Gerätes beim Anspannen der Muskeln werden schnell und effizienten die Muskeln aufgebaut.
Bei 70% der Frauen stellt sich eine wesentliche Besserung oder ein Abklingen der Belastungsinkontinenz ein.

Tipps bei Belastungsinkontinenz
Richtiges Aufheben von Gegenständen:
In die Knie gehen und Beckenboden ausatmend entspannen.
Bei jeder körperlichen Anstrengung immer ausatmen (Bauchatmung) - Anhalten der Luft bewirkt einen Druck auf die Blase und den Beckenboden!
Sportarten wie Schwimmen, Wandern oder Gymnastik.
Joggen, Tennis, Springen… sind nicht so günstig, weil diese Sportarten den Beckenboden belasten
Auf einen weichen Stuhl achten, damit nicht gepresst werden muss. Wenn ein Pressen jedoch unvermeidlich ist, dann immer dabei ausatmen.
Trinken: mindestens 1,5 Liter gleichmäßig über den Tag verteilt, aber nicht zu viel am Abend oder vor dem Ausgehen. Keine harntreibenden Getränke wie Kaffee, Bier…
Durchblutungsförderung mit Sauna, warmen Fußbädern, Wechselduschen, Wassertreten…
Gewichtsreduzierung

In extremen Fällen ist eine Operation notwendig. (Entfernung der Gebärmutter) Einlagen oder Windelhosen sollten die letzte Möglichkeit einer Inkontinenzversorgung darstellen, wenn alle Ursachen und Therapiemöglichkeiten erfolglos ausgenützt wurden.

Haben Sie keine Angst mehr, nicht  rechtzeitig eine Toilette zu finden. Es gibt viele Möglichkeiten zur Behandlung einer Harninkontinenz!

            Mag. pharm. Eva Fellner             Logo Stadtapotheke Klosterneuburg