APOTIPP       REIZDARM – Ein Ständiges Hin Und Her

Das Reizdarmsyndrom (RDS) oder „Colon Irritable“ zählt zu den häufigsten funktionellen Störungen im Bereich des Gastrointestinaltrakts, aber nur 20% der Betroffenen reden mit einem Arzt darüber oder suchen ein Gespräch mit dem Apotheker. Die Beschwerden beeinträchtigen stark das Alltagsleben, sie äußern sich in immer wiederkehrenden Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten, Blähungen,...

Ursachen
Organische Krankheitsauslöser für dieses Syndrom sind nicht erkennbar, sodass der Arzt eine Ausschlussdiagnose stellt.

Meist wirken mehrere Faktoren zusammen:

  Ballaststoffarme und fettreiche Ernährung
  Stress
  Seelische Konflikte
  Störungen in der Immunabwehr
  Gestörte Darmflora
  Medikamente
  Hormonelle Einflüsse
  Nahrungsmittelintoleranz: Laktoseunverträglichkeit, Malabsorption von Fructose, Glutenallergie, Histaminintoleranz

Im Darm regelt ein eigenes Nervensystem (enterisches NS) die Transportfunktionen der Darmmuskulatur, eine gestörte Reizübertragung durch bestimmte Substanzen im Darm könnte die Ursache für die Motilitätsstörungen sein.

Symptome
Gestörte Peristaltik, Gestörte Verdauung, Gestörte Psychosomatik

Mit Hilfe der Peristaltik muss die gesamte Nahrung vom Mund bis zum Darmausgang transportiert werden. Wenn diese Bewegung zu schnell ist, entsteht Durchfall;  zu langsam: Völlegefühl und Bauchschmerzen.

Stuhlunregelmäßigkeiten: häufiger Wechsel von festem Stuhl und Diarrhö (von hart, breiig bis wässrig oder schleimige Beimischungen), Gefühl einer unkompletten oft schmerzhaften Entleerung, gesteigerter Stuhldrang.

Blähungen, Bauch fühlt sich hart an

Unverträglichkeit von einzelnen Nahrungsmitteln

Schmerzen, oft krampfartig im gesamten Bauchbereich,  in Stresssituationen, nach Mahlzeiten

Kopf- und Rückenschmerzen

Abgeschlagenheit, Angst, Überbelastung

Nachts und meistens auch im Urlaub beschwerdefrei.

Wenn diese Symptome innerhalb eines Jahres während insgesamt 12 Wochen auftreten und keine anderen Ursachen für diese Beschwerden zu finden sind, kann die Diagnose „Reizdarm“ gestellt werden. Der Arzt muss unbedingt genaue Untersuchungen des Magen- Darmtraktes durchführen. Reizdarm verursacht nämlich ähnliche Beschwerden wie ernsthafte Darmerkrankungen - z.B. Entzündungen des Darms (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa).

Sollte ein Blutabgang im Stuhl, Gewichtsverlust oder Fieber auftreten, muss unbedingt der Arzt aufgesucht werden!

Tipps und Behandlungsmethoden
Die Beschwerden können ein Leben lang auftreten, sie sind unangenehm, aber nicht gefährlich und nicht ansteckend! Reizdarm führt nicht zu Krebs oder zu einer chronischen Darmentzündung.
Ziele einer Behandlung sind die Verminderung von Symptomen und die Vermeidung von Komplikationen.
Führen eines Ernährungstagebuches mit  Aufzeichnungen über Symptome, Ernährung, Getränke, Aktivitäten, Psychische Verfassung… auch an Tagen ohne Beschwerden.
Ernährungsumstellung: Karenz von unverträglichen Nahrungsmitteln. Beim Test eines neuen Gerichtes immer 48 Stunden verstreichen lassen und die Reaktion des Darmes beobachten. So kann man sofort erkennen, ob die neue Speise Probleme bereitet oder nicht. Trotzdem auf Ausgewogenheit achten!
 1.   Ballaststoffreich: besonders bei Patienten, bei denen die Verstopfung im Vordergrund steht. Erhöhung der Ballaststoffmenge nur langsam, damit sich der Magen und Darm anpassen können, z.B. Kleie, Sauerkraut oder Flohsamen mit einem hohen Faserstoffanteil.
 2.   Aber manche Patienten reagieren empfindlich auf ballaststoffreiche Ernährung, für sie sind faserarme Lebensmittel besser geeignet.
 3.   Fetthaltige Ernährung verlangsamt den Transport im Darm, sparsam verwenden.
 4.   Reichlich Trinken: Wasser! Eine Tasse warmer Tee (Anis- Kümmel- Fenchel) wirkt entspannend. Kaffee, Alkohol, kohlensäurehaltige Getränke werden meist nicht vertragen. Nicht zu kalt oder zu heiß! Keine  Extreme für Magen und Darm!
 5.   Vermeiden von Speisen, die zu Blähungen führen z. B. Bohnen, Zwiebeln, Sellerie, Kohl, Hefe…jeder muss seine eigenen Erfahrungen mit verschiedenen Lebensmitteln machen.
 6.   Keine starken Gewürze verwenden.
 7.   Vorsicht bei saurer Kost: ausprobieren, ob Zitrusfrüchte, Essig im Salat, sauer Eingelegtes… vertragen werden.
 8.   Schlecht vertragen werden häufig: Datteln, Bananen, Rosinen, frische Weißmehlbackwaren…
 9.   Viele kleine Portionen sind besser als wenige große! Gut Kauen! Nicht unnötig Luft hinunterschlucken! (passiert bei hastigem Essen, kohlesäurehaltigen Getränken)
 10. Dinner Cancelling: 4 Stunden vor der Schlafengehen am Abend nichts mehr zu sich nehmen
 11. Nicht hastig essen, oder in Stresssituationen, ohne Ablenkung von Fernseher oder Zeitung,  keine hitzigen Diskussionen bei den Mahlzeiten!

    Stressabbau:
1.   Eine normale Defäktionsrate ist zwischen 2x pro Woche und 3x täglich normal!
2.   Besonders in der Früh für Ruhe sorgen, auch genügend Zeit für den „Toilettenbesuch“ einplanen!
3.   Entspannende Musik,  innere Balance finden durch Ruhe, Entspannungsübungen (Yoga, Autogenes Training...)
4.   Atemübungen: Vor dem offenen Fenster gleichmäßig und tief in den Bauch hineinatmen.
5.   Kreisende Massagen auf dem Bauch entspannen die Krämpfe.
6.   Wärme durch eine heiße Wärmeflasche oder Wärmepflaster wirken wohltuend und entkrampfend. Leibwickel: Tuch mit warmem Wasser tränken, auf Bauch legen, mit Decken gut abdecken und 30 Minuten rasten.
7.   Entspannungsbäder mit Lavendel- oder Melissenzusätze
8.   Angst, Konflikte, Stress sind nicht die Ursachen, können aber die Beschwerden vergrößern.
9.   Psychotherapie
10. 50% der Patienten sprechen auf eine Placebotherapie an, wenn das Arzt– Patienten Verhältnis gut ist.

Bewebungstherapie:
besonders nach dem Essen, Gymnastik, Spaziergänge, Rad fahren aktivieren den Darm, regelmäßige körperliche Bewegung lindert oft die Beschwerden.

Laktoseintoleranz: häufig ein Grund für Reizdarmprobleme.
Den Patienten fehlt das Milchzucker verdauende Enzym Laktase, das Laktose in Glukose und Galaktose spaltet. So bleibt der Milchzucker im Darm, nimmt osmotisch Wasser auf, ein Durchfall entsteht. Meiden von Milchprodukten, nur kleine Mengen von Joghurt, Butter oder gereiftem Käse (enthalten wenig Laktose) essen. Bei leichtem Laktase– Mangel kann es, in Kapsel gepresst, ersetzt werden. Vielen Menschen fehlt dieses Enzym, besonders vielen Asiaten, sodass in der östlichen Küche keine Milchprodukte verwendet werden.

Kohlenhydratresorptionsstörungen: speziell bei Fructose
Wenn Fructose nicht ausreichend aus dem Dünndarm resorbiert wird, gelangen große Konzentrationen in den Dickdarm. Dort wird der Fruchtzucker von Darmbakterien aufgenommen und vermehrt CO² gebildet. Blähungen, Bauchkrämpfe, Darmgeräusche, plötzlicher Stuhldrang mit Schleim treten auf. Sollte dieser Fermentationsprozess bereits im Dünndarm stattfinden, so tritt oft gleichzeitig eine Tryptophanmalabsorption auf, die zu einem Serotoninmangel führt und Depressionen erzeugen kann.

Vermeiden von Fruchtzucker! Obst ist verträglicher, wenn gleichzeitig Glukose eingenommen wird. Saccharose wird normal resorbiert.

Gluten-Allergie: Zöliakie:
In den letzten Jahren wird diese Allergie häufiger im Erwachsenenalter diagnostiziert. Das industriell hergestellt Brot enthält immer größere Mengen an Proteinen, damit das Brot luftiger wird. Deshalb wird auch viel mehr Gluten (Klebereiweiß) zu sich genommen, das für Autoimmunerkrankungen im Darm verantwortlich ist. Eine glutenarme, oder sogar freie Diät einige Wochen lang bessert meist die Reizdarmbeschwerden.

Medikamente
Bei Verstopfung: Lactulose, Macrogol (Movicol®), Bisacodyl (Dulcolax®), Leinsamen, andere Laxantien (Vorsicht bei Anthrachinonderivaten) nur über einen kurzen Zeitraum, wenn Ernährungsumstellung nicht ausreicht.
Bei Durchfall: Loperamid (Imodium®,..)mit genauer Beobachtung der Stuhlkonsistenz, Gefahr einer Lähmung der Peristaltik! Andere Opioide überschreiten die Bluthirnschranke!
Gasbindende Arzneistoffe: Dimethicon, Simethicon (Lefaxin®, Antiflat®, Sab®)
Bei Krämpfen und Blähungsschmerzen: Spasmolytika: N-Butylscopolamin (Buscopan®),  Pfefferminzöl: in Kapselform oder 5 Tropfen in einem Glas lauwarmen Wasser lösen und öfters täglich trinken.
Mebeverin (Colofac®) hat einen erschlaffenden Effekt auf die glatte Darmmuskulatur.
Phytotherapeutika: Kamille, Pfefferminze, Fenchel, Anis, Kümmel,
Krämpfe und Stress: Baldrian beruhigt, eventuell auch Johanniskraut
Bei den chem. Antidepressiva haben sich Trizyklische und Serotoninwiederaufnahmehemmer bewährt.
Probiotika helfen nicht nur bei Durchfall zur Wiederherstellung einer gesunden Darmflora sondern auch bei Blähungen, weil gaserzeugende Bakterien im Darm verdrängt werden.
Homöopathie: Mercuris solub. ( heftige, schleimige Stühle), Arnica (Kolikschmerzen mit Durchfall), Belladonna (Krämpfe), Pulsatilla (Wechsel- Durchfall- Verstopfung).

Einige interessante Fakten zum Darm
x  Der Mensch ist aus 10 hoch13 Zellen aufgebaut.

x  Im Darm eines Erwachsenen leben ca. 10 hoch 14 Mikroorganismen.

x  Das heißt: der Mensch besteht aus 10% menschlichen Zellen und 90% Bakterien!

x  Ausgebreitet ist die Darmschleimhaut etwa so groß wie ein Fußballfeld 300m².

x  Mehr als100 Millionen Nervenzellen im gesamten Verdauungstrakt schicken ununterbrochen Meldungen ans Gehirn.

x  Während einer Lebenszeit von 70 Jahren müssen der Magen und Darm 20 Tonnen Fremdeiweiß verdauen.


Ein Reizdarm beeinträchtigt meist einige Jahre stark die Lebensqualität, es gibt Hilfen mit diesen Problemen besser zurechtzukommen. Reden Sie mit uns Apotheker oder dem Arzt. Die Forschung bemüht sich auch, neue Arzneimittel dagegen zu entwickeln. Jedenfalls muss niemand die Angst haben, dass aus dieser Krankheit Krebs oder eine Entzündung entstehen wird.

Wenn Sie über die chronische Darmentzündung Morbus Crohn etwas nachlesen wollen, so folgen Sie diesem Link Morbus Crohn

                        Mag. pharm. Eva Fellner        Logo Stadtapotheke Klosterneuburg