Selen- Ein essentielles Spurenelement

Ein ähnlicher Artikel von mir ist in der Fachzeitschrift „Der Neue Apotheker“ erschienen.
Selen (Se) – ein grau, metallisch glänzendes Halbmetall - ist ein chemisches Element im Periodensystem der Elemente mit der Ordnungszahl 34.

1817 hat der schwedische Chemiker Berzelius im Bleikammerschlamm einer Schwefelfabrik neben Selen auch Tellur zum ersten Mal entdeckt. Wegen des metallischen Glanzes benannte er Selen nach der griechischen Mondgöttin „Selene“. Als essentielles Spurenelement für den Menschen ist Selen (in der Oxidationsstufe +2: Se²+) Bestandteil der 21. Aminosäure – Selenocystein, es ist auch in vielen Proteinen enthalten.

Verwendung von Selen
Selen wird vielfältig in der Industrie verwendet - zur Halbleiterherstellung, zum Entfärben von grünen Gläsern, zur Belichtung in Laser-Drucker,  in der Fotographie (Kontrasterhöhung schwarz- weiß), Nervenkampfgase, zu Legierungen usw. Aber Selen wird auch Tierfutter zugesetzt und als Düngemittel auf die Böden aufgetragen.

Obwohl Selen schon 1817 entdeckt wurde, erkannte man erst 1957 die Bedeutung für den Menschen. In der chinesischen Provinz Keshan (hat extrem selenarme Böden) starben überdurchschnittlich viele Kinder an einer Herzmuskelerkrankung - erst als die Nahrung mit Selen, aber auch mit Vitamin E angereichert wurde, konnte diese “Keshan – Erkrankung“ signifikant reduziert werden.

Vorkommen
Selen ist meist ein Begleitmetall schwefelhaltiger Erze.
Böden mit geringem Selengehalt sind in Mitteleuropa, Skandinavien, Neuseeland, China. 100 Kilogramm deutscher Weizen enthalten nur zwei Milligramm Selen, nordamerikanischer Weizen dagegen bis zu fünfzigmal mehr.
In Österreich nimmt die Bevölkerung die empfohlene tägliche Selenmenge (50 bis 100 Mikrogramm) mit der Nahrung nur schwerlich auf. Wer selenreich essen will, sollte daher öfter Seefisch, Geflügel, Meeresfrüchte, rotes Fleisch, Eier - speziell von Tieren, die mit selenhaltigem Futter gefüttert wurden - zu sich nehmen. In Fleisch ist Selen an Cystein gebunden.
Selen als Se-Methionin befindet sich in Getreide (sofern es nicht von selenarmen Böden stammt), Hülsenfrüchten, Nüssen, Soja, Reis, Kartoffeln, Pilzen.

Biologische Bedeutung von Selen
essentielles Spurenelement: In selenarmen Gegenden wird seit längerer Zeit eine höhere Krebssterblichkeit, erhöhte Anfälligkeit gegen Virusinfektionen, vermehrte Infarktanfälligkeit und vermehrt Gelenk- und Muskelerkrankungen registriert.
Bestandteil vieler Proteine und Katalysator für verschiedene enzymatische Reaktionen.
Die Aminosäure Selenocystein spielt bei dem Enzym Glutathion-Peroxidase eine entscheidende Rolle. Dieses Enzym verhindert zusammen mit Vitamin E,  C und Selenocystein die Bildung zellschädigender giftiger Peroxide des oxidativen Stoffwechsels. Die Zellmembran wird dadurch vor oxidativer Zerstörung geschützt, Radikale werden gebunden: Schutz vor Chromosonenschäden, verhindert Krebsentstehung, bewirkt eine Zellreparatur und eine Zellerneuerung.
Die verschiedenen Antioxidantien wie Ascorbinsäure, Beta-Carotin, Vitamin E, oder Coenzym Q10 können erst durch Selen aktiv werden.
Immunmodulation: Regulierung der IgG- Produktion und der Tumornekrosefaktors, Stimulation der Leukozytenaktivität, hemmt die Virusvermehrung.
Aktivierung der Schilddrüsenhormone: Umwandlung von T4 in das wirksamere T3. Eine Unterfunktion der Schilddrüse kann nicht nur durch einen Jod-, sondern auch durch einen Selenmangel entstehen!
Verhindert Augenerkrankungen, wie Katarakt, Retinaschäden bei Diabetes mellitus…
Schwermetallentgiftung: Bindung von Schwermetallen (z.B. Quecksilber, Cadmium, Blei, Arsen) und der Ausleitung aus dem Organismus, entgiftet auch die Leber.
Selen verhindert Zahnfleischzerstörungen von Amalgamplomben, weil Se ein Antagonist von Quecksilber ist.
Bewirkt die Entwicklung der Spermien.
Schützt gegen die Beschleunigung von Altersvorgängen.

  Selenmangel
Selenarme Böden, Übersäuerung der Böden mit Düngungsmittel, saurer Regen, Belastung mit Umweltgiften… führen zum latentem Selenmangel in der Bevölkerung.
Vegetarier leiden oft an Selenmangelerscheinungen, weil pflanzliche Nahrungsmittel weniger Selen enthalten als tierisches Eiweiß.
Erhöhter oxidativer Stress: Rauchen, Alkohol, intensive körperliche Anstrengung, chronische Erkrankungen (z.B. Rheumatische Arthritis, Herzerkrankungen, Psoriasis, Krebs, Diabetes). Es entstehen große Mengen von freien Radikalen.
In der Schwangerschaft und Stillzeit ist der Bedarf von Selen erhöht.
Verdauungsstörungen mit schlechter Resorption: entzündliche Darmerkrankungen, Pankreatitis, Laxantienmissbrauch, Diuretika
Schwächung des Immunsystems: erhöhte Infektanfälligkeit,  HIV-Infektion, AIDS

Substitution von Selen
Organische Formen von Selen (Selenocystein, Selenaspartat) haben zwar eine größere Verfügbarkeit als anorganische Salze (Natriumselenit), sie sind aber in Österreich nicht zugelassen, weil bisher keine ausreichende Reinheit und Dosierungsgenauigkeit erreicht werden konnte.

Jugendliche und Erwachsene sollten 50 bis 100 µg Selen pro Tag mit der Nahrung aufnehmen, das entspricht etwa 1µg pro Körpergewicht. Durch die Auslaugung unserer Anbauflächen ist die ausreichende Versorgung mit Selen durch Nahrungsmittel aber nicht mehr garantiert. Mit Nahrunsmittelergänzungen sollten aber nicht mehr als 30 µg Selen zugeführt werden, damit keine Selenosis entsteht.
Für Schwangere und stillende Frauen ist der Bedarf erhöht, ein Mangel hat gravierende Auswirkungen auf das Kind.
Überhöhte Selenzufuhr führt zu einer Selenosis.

Die Spanne zwischen einer Selenunterversorgung und einer überhöhten Zufuhr ist relativ gering. Für den gesunden Menschen sollte die Obergrenze - 400µg Selen pro Tag – aus Ehrnährung und Nahrungsmittelergänzungen nicht überschritten werden. Selen-Methionin kann unspezifisch und unreguliert statt Schwefel in die Körperproteine z. B. Albumin eingebaut werden. Eine Selenosis macht sich bemerkbar durch eine knoblauchartig riechende Atemluft, Müdigkeit, Übelkeit und Erbrechen, brüchige, weiche Fingernägel, Haarverlust…

Selen und Krebserkrankungen
In Gegenden, wo die Böden und damit auch die Pflanzen selenarm sind und die Tiere nur selenarmes Futter fressen, wird seit längerer Zeit eine höhere Krebssterblichkeit registriert. Krebspatienten haben häufig zu wenig Selen im Blut, sodass Zellschäden, unkontrollierte Vermehrung bösartiger Zellen, nicht von den Reparaturenzymen, die Selen benötigen, beseitigt werden können. Außerdem können selenhaltige Enzyme aggressive Radikale abfangen.

Untersuchungen ergaben, dass Selen einen protektiven positiven Effekt speziell bei Prostatakarzinomen hat, aber möglicherweise nur bei Patienten mit niederen Serum-Selenspiegeln. Eine adjuvante Krebstherapie mit Selen bewirkt bei vielen Patienten eine Reduzierung der Schmerzen, bessere Beweglichkeit, eine Abschwächung der Nebenwirkungen bei einer Strahlentherapie. 

Eine prophylaktische Substitution der Bevölkerung erscheint aber zu gefährlich wegen einer möglichen giftigen Überdosierung.

Die Japaner machen es richtig: Sie essen viel Reis und viel Seefisch und nehmen dadurch doppelt so viel Selen auf wie Europäer. Diese Ernährungsgewohnheiten lassen die Japaner wahrscheinlich länger leben und seltener an Krebs und Herz-Kreislauf-Leiden erkranken als die Deutschen. Neben Naturreis und Fisch ist Getreide ein wichtiger Selen-Lieferant.

Eine Nahrungsergänzung mit Selen ist für viele Menschen z.B. Krebskranke, bei chronischen Darmerkrankungen, bei häufigen Infektionskrankheiten… günstig, sollte aber doch immer wieder in der Apotheke hinterfragt werden, damit keine Überdosierungen auftreten. Wir beraten Sie gerne!

         Mag. pharm. Eva Fellner         Logo Stadtapotheke Klosterneuburg